... und dabei statt der Sonne eine Regenwolke erwischt, ist das noch lange kein Grund, sich hinter dem warmen Ofen zu verkriechen. Das zumindest dachten sich die rund 25 Teilnehmer der
gehölzkundlichen Exkursion, die am vergangenen Sonntag, den 26. November, unter der Leitung von Britta Ladner aus der AG Botanik in Mecklenbeck stattfand.
Um sich im Winter, wenn das Wasser im Boden gefroren ist, vor dem Austrocknen zu schützen, werfen die meisten unserer heimischen Gehölze im Spätherbst ihr Laub ab und geben so den Blick frei auf
charakteristische Merkmale, die sonst dem Auge verborgen bleiben. Jetzt sind der Wuchs und die Rinde des Stamms sowie die Stellung und Beschaffenheit der Äste und Zweige klar erkennbar. Vor allem
aber die Knospen, in denen die Blätter, Blüten und Triebe des nächsten Jahres bereits angelegt sind, geben Aufschluss über die jeweilige Art. Ihre Anordnung am Zweig, die die Blattstellung
widerspiegelt, ihre Größe, Farbe und Form und besonders ihre Knospenschuppen sind relevante Bestimmungsmerkmale. Betrachtet man all dies in seiner Gesamtheit, lässt sich eine Vielzahl heimischer
Gehölze auch im Winter recht sicher erkennen.
So sind es bei der Hainbuche zunächst die Spannrückigkeit des Stamms und dessen glatte Rinde, die ins Auge fallen. Die wechselständigen Knospen sind deutlich zugespitzt und besitzen zahlreiche
bräunliche Knospenschuppen.
Die Knospen der Rot-Buche dagegen, die ebenfalls bräunliche Schuppen besitzen, sind noch stärker zugespitzt, wesentlich länger und auffallend stark vom Trieb abgespreizt. Die Rinde der Rot-Buche
bleibt ebenfalls bis ins hohe Alter glatt, aber ihr Stamm weist keine Spannrückigkeit auf.
Bei den Ahornarten stehen sich an jedem Knoten zwei Knospen gegenüber und spiegeln somit eine gegenständige Blattstellung wider. Dies ist leicht zu merken, denn Walt Disneys Ahörnchen und
Behörnchen bilden ebenfalls ein unzertrennliches Paar. Am Ende der Triebe befindet sich eine Endknospe, aus der im nächsten Jahr teleskopartig ein neuer Trieb entsteht, der den alten in der Länge
fortführt. Dabei hinterlassen die Knospenschuppen Narben, die "Jahresringe" bilden und so eine ungefähre Altersbestimmung des gesamten Triebs ermöglichen. Unterscheiden lassen sich die drei
heimischen Ahornarten im Winter anhand der Farbe ihrer Knospen: Die des Berg-Ahorns sind grün, die des Spitz-Ahorns rötlich und die des Feld-Ahorns bräunlich und wesentlich kleiner als die der
anderen beiden Arten.
Auch bei der Esche sind die Knospen gegenständig angeordnet. Hier sind sie jedoch pechschwarz. Auch die größere Endknospe ist schwarz und erinnert durch ihre rundliche Form ein wenig an eine
Eiskugel in einer Waffel. Aber auch an ihrem Habitus ist die Esche gut zu erkennen. Ihre Verzweigung ist recht grob und die einzelnen Triebe, die oft nach oben gebogen sind, scheinen wie knorrige
Finger nach der Sonne zu greifen. Sie beweisen anschaulich, dass die Esche zu den Lichtbaumarten gehört.
Weiden lassen sich gut erkennen: sie sind die einzige heimische Gattung, die nur eine Knospenschuppe ausbildet. Ihre Knospen sind spiralig um den Zweig herum angeordnet. Auf diese Weise bekommen
alle Blätter an den häufig steil nach oben ausgerichteten Trieben die größtmögliche Menge Licht, denn auch Weiden zählen zu den Lichtbaumarten. Die einzelnen Arten sicher zu unterscheiden, ist
jedoch schwierig, da ihre Merkmale eine große Variationsbreite aufweisen. Darüber hinaus neigen Weiden zur Bastardisierung.
Bei der Schwarz-Erle kann man außer den vegetativen Knospen, die länglich, purpurfarben und gestielt sind und nur zwei Schuppen besitzen, bereits die männlichen und weiblichen Kätzchen erkennen,
die nackt überwintern und nicht in einer Knospe eingeschlossen sind. Auch der Habitus ist charakteristisch: Der Stamm zieht sich bis in die Kronenspitze durch. Zusammen mit den schräg nach oben
gerichteten und relativ dünnen Ästen entsteht ein fichtenähnlicher Eindruck.
Einen weiteren Anhaltspunkt für die Bestimmung von Gehölzen im Winter kann die Bewehrung der Triebe geben. Einige Arten bilden Dornen oder Stacheln aus, die besonders jetzt gut erkennbar sind. So
finden sich bei den Weißdornen und der Schlehe Triebdornen. Die Knospen der Weißdorne sind rundlich, nur leicht zugespitzt und sehr klein. Die Knospen der Schlehe sind noch kleiner und
vollständig kugelig. Die Rinde der Triebe ist dunkler - die Schlehe wird auch Schwarzdorn genannt. Vor allem aber treten die Knospen der Schlehe gehäuft auf. Dies ist typisch für den Tribus der
Steinobstgewächse innerhalb der Familie der Rosengewächse. Der Legende nach können Weißdorne - die das Gute symbolisieren, und Schwarzdorne - die für das Böse stehen - nicht an einem Ort
vorkommen. Dies wurde bei der Exkursion klar widerlegt.
Auch weitere heimische Arten lassen sich in dieser Weise gut erkennen, wie die leicht durchnässten, aber gut gelaunten Exkursionsteilnehmer feststellten. Schließlich wartete noch eine
Überraschung am Ende des wetterbedingt abgekürzten Erkundungsgangs auf die Teilnehmer: Ein aus dem Stock ausgetriebener Feld-Ahorn, der sich seines grünen Sommerkleids noch nicht entledigen
mochte, präsentierte eine dreiwirtelige Blattstellung und erinnerte so eindrücklich daran, dass die Natur sich nicht vollständig in menschengemachte Schemata einordnen lässt.