Mitglieder der AG Naturgarten besuchten interessanten Vortrag der deutsch-amerikanischen Landschaftsarchitektin Claudia West

Naturnahe Pflanzungen für dauerhaft schöne Gärten

Foto: Claudia Rüther
Ein Rest von Abraum (Baumberger Sandstein) aus dem Gesteinsabbau beherbergt Pflanzen, die den mageren Verhältnissen trotzen und sogar auf sie angewiesen sind. Karthäuser-Nelken (pink, vorn mittig) und Weidenblättriges Ochsenauge (gelb, vorne rechts) brauchen die Stickstoffarmut. Düngung verbietet sich hier, will man diese Arten erhalten! Denn auf fettem Boden gewönnen konkurrenzstärkere C-Strategen die Oberhand. Diese überwuchern bei bequemen Verhältnissen durch ihre Starkwüchsigkeit die genügsamen Kollegen.


 

 

 

Auf Einladung der Gesellschaft der Staudenfreunde e.V. referierte Claudia West am 14.12.19 in Münster über die Grundsätze ihrer freiberuflichen und langjährigen Tätigkeit als Landschaftsarchitektin in Amerika. Sie hat hier inzwischen eine bedeutende Rolle in der international stark an Bedeutung gewonnenen ökologischen und funktionalen Pflanzenplanung eingenommen und ist bekannt geworden für ihre passionierte Weiterentwicklung multifunktionaler Pflanzsysteme, die natürliche Funktionen zurück in Städte und Dörfer bringen sollen.


Einleitend berichtete Claudia West über ihren „Schockzustand“ nach Übersiedlung in die USA vor über 20 Jahren. Eigentlich hatte sie sich voller Enthusiasmus aus Deutschland aufgemacht, um dort die Pflanzen- und Kulturgeschichte Amerikas zu studieren. Vor fand sie jedoch voller Ernüchterung ein Land mit lediglich noch 0,5% naturbelassener Restfläche von Prärie und Wald. Als Gründe benannte sie eine rasante (Sub-)Urbanisierung auch der städtischen Außenbereiche mit sterilen Rasenflächen und landwirtschaftlichen Monokulturen von Soja und Mais.


Dort wie auch hier beschrieb sie die psychologische „Gewöhnung“ jeder Generation an die jeweiligen veränderten Umweltbedingungen. Bekannt ist dieses Phänomen einer verzerrten und eingeschränkten Wahrnehmung vom Wandel unter dem aus der Umweltforschung stammenden Begriff „shifting baseline syndrome“. Demgemäß verschieben sich die jeweiligen Vergleichsmaßstäbe für die Wahrnehmung von Veränderungen. Die verschwundene Artenvielfalt wird als „normal“ empfunden. So fällt jüngeren Menschen beispielsweise nicht auf, wie wenig Vögel heute noch singen oder wie wenig unberührte Naturflächen es noch gibt. Sie kennen nichts anderes.


Nicht nur zur Förderung der Artenvielfalt sei es daher notwendig („Biodiversität ist essentiell“), naturnahe (Ausgleichs-)Flächen zu fördern und zu schaffen. Auch der Mensch „braucht die Natur“ zur Gesunderhaltung und Regeneration.


Mit Hinweis auf Josef Reichholfs Buch „Stadtnatur“ wies Claudia West darauf hin, dass die Natur in Städten weniger bedroht sei als auf dem Land. So lebten in Berlin mehr Nachtigallen als in Bayern und in manchen Städten fänden sich doppelt so viele Wildpflanzenarten als im Umland. Somit: „Jeder Garten zählt!“


Die Gründung ihrer Landschaftsgarten-Firma „Phyto Studio“ sei damit für sie eine logische Konsequenz auf eine Welt gewesen, in der so viel Natur und biologische Vielfalt verloren gegangen sei und immer noch gehe. Ziel sei daher die Schaffung naturnaher Lebensräume durch Nutzung und Anlage ökologischer und funktionaler Pflanzensysteme in städtischen Gebieten.


Als ein erstes Beispiel stellte Claudia West das Konzept des „Regengartens“ vor. Bei diesem wird aufgefangenes Wasser, z. B. von einer Straße, einer Einfahrt oder einem Dach, in ein speziell dafür angelegtes Beet geleitet und versickert dort. Durch die Pflanzen im Regengarten wird das Wasser zu 80 bis 90% von Sedimenten und Chemikalien gereinigt.


Im Weiteren folgten differenzierte Empfehlungen beim Anlegen von Gärten und Beeten nach fünf zentralen Prinzipen

  1. Artenreiche Mischpflanzungen bilden neuen Überfluss, um Biodiversität wiederherzustellen      
    Bei heute immer noch im Gartenbau bevorzugter traditioneller Blockbepflanzung komme keine Pflanzenart der anderen zu nahe. Dadurch ergebe sich das Problem eines „offenen Bodens“, auf dem sich leicht unerwünschtes Wildkraut (Unkraut) breit machen kann, denn Pflanzen bedecken offenen Boden spontan. Beispiel: urbane Wiese auf einer stillgelegten Bahntrasse. In der von Claudia West propagierten Mischpflanzung wird hingegen die traditionelle Blockpflanzung mit einer „wilden Pflanzengesellschaft“ kombiniert. Ziel ist eine geschlossene, dicht bewachsene Bodendecke. Es gibt keinen Mulch, sondern eine lebendige Bodendecke. Eine solche Anpflanzung nimmt zudem Wasser auf und leitet es an tiefere Schichten weiter.
  2. Emotionale Blühaspekte verbinden Mensch und Natur
    Dominierende Pflanzen müssen ins Auge springen. Sie werden „Aspektbildner“ genannt, weshalb von ihnen nicht nur einzelne Blüten zu sehen sein sollten. Als visuell wichtige „Hingucker“-Pflanzen wurde z. B. die Kardinals Lobelie (Lobelia cardinalis), die Knollige Seidenpflanze (Asclepias tuberosa) oder die Herbstaster (Symphyotrichum) genannt. 
  3. Ordnende Rahmen schaffen klare Lesbarkeit
    Komplexe Anpflanzungen erhalten durch einen deutlich sichtbaren Rahmen eine optische Aufwertung und erlangen dadurch eine erhöhte Akzeptanz, da Mischbepflanzungen nicht „verwildert“ aussehen. Ein solcher Rahmen kann aus verschiedenen Materialien (Stein, Holz), einer kleinen Rasenfläche oder auch aus anderen Pflanzen (kleine Hecke) bestehen.
  4. CRS-Strategien sparen Ressourcen
    Nach der von John Philip Grime entwickelten CRS-Theorie der Pflanzen werden die jeweiligen Eigenschaften C (Competition), also Konkurrenzstärke, R (Ruderal) Störungstoleranz und S (Stress) für Stresstoleranz in ein Dreieck eingetragen und mit den Verhältnissen am geplanten Standort abgeglichen. Auf diese Weise können die Pflanzen hinsichtlich ihrer Eignung ausgewählt werden. Pflanzensortiment, Bodenbedingungen und die Pflege müssen übereinstimmen. CRS-Analysen sparen Ressourcen. An Beispielen wurde illustriert, wie sich die Vegetation ändert, wenn sich Umweltbedingungen (z. B. größere Trockenheit bzw. Feuchtigkeit) ändern.
  5. Ökologischer Reichtum bereitet Freude für die Umwelt
    Hier gilt es, ökologisch „tote“ Pflanzen zu vermeiden. So ernähren Pflanzen mit dunkelrotem Laub keine Insekten oder Raupen. Als Nahrungsquelle sollten zudem keine Pflanzen mit gefüllten Blüten verwendet und heimische Pflanzen (Gehölze, Stauden, Zweijährige, Einjährige) bevorzugt werden. Des Weiteren sollten überwiegend Generalisten (Pflanzen, die von vielen Insekten besucht werden.) und weniger Spezialisten (Pflanzen die nur von wenigen bzw. ganz speziellen Insekten besucht werden) angepflanzt werden. Als Beispiel wurde hier der „Pollinator und Bird Garden“, also „Bestäuber- und Vogelgarten“, an der Penn State University genannt.

Die anwesenden Mitglieder der AG Naturgarten resümierten, einen interessanten und auch lehrreichen Vortrag gehört zu haben, der sowohl klar strukturiert als auch lebhaft und überzeugend vorgetragen worden war. Als kritische Ergänzung sei jedoch erwähnenswert, dass weder während und auch leider nicht nach dem Vortrag deutlich genug gemacht wurde, dass Claudia West nicht unsere heimischen Wildpflanzen gezeigt hat, sondern - wenn überhaupt Wildpflanzen - hauptsächlich in Nordamerika heimische. Ausgerechnet diese gibt es hier leider zuhauf als vermeintlich bienenfreundliche Gartenstauden zu kaufen. Zudem machen sie auch optisch etwas her. Für den Laien und bei oberflächlicher Betrachtung könnte so der falsche Eindruck bzw. das gute Gefühl entstehen, viel für die Bienen zu tun. Leider geben diese Arten/Sorten wenn überhaupt vielleicht Nektar zum Auftanken. Unsere einheimischen Spezialisten haben allerdings nichts davon. Es fehlt der Pollen der einzig gesuchten Pflanzenart zur Aufzucht des Nachwuchses oder das richtige Grünfutter für die spezialisierte Raupe eines heimischen Schmetterlings.

Text: Bettina Stankoweit