Die Mistel - ein Parasit auf dem Vormarsch

– Streuobstwiesen bedroht!

Während die Mistel in früheren Zeiten eine verehrte, wertvolle und oft auch seltene Pflanze war, stellt sie heute in einigen Regionen Deutschlands eine Gefahr für Obstbäume dar.

 

Besonders im Winter fallen uns an den kahlen Ästen bestimmter Bäume kugelige, gelblich-grüne Büsche mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter auf - die Weißbeerige Mistel.

 

 

Viscum album ssp. album (Viscaceae) ist ein einheimischer Vertreter der weltweit vorkommenden 1.400 Mistelarten. Sie ist südlich einer gedachten Linie von der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns Richtung Südwesten bis nördlich des Ruhrgebietes verbreitet.

Der wissenschaftliche Gattungsname Viscum (lat. für Leim oder Klebstoff) geht wahrscheinlich auf die Römer zurück, die aus den klebrigen Beeren Vogelleim für den Vogelfang hergestellten. Der wissenschaftliche Name der Weißbeerigen Mistel, Viscum album, heißt übersetzt Weißer Vogelleim. Heute werden in der Medizin Blattextrakte zur Blutdrucksenkung, bei Arteriosklerose und zur Krebsbehandlung verwenden.

 

Die wurzellosen Misteln wachsen halbschmarotzend auf Laubgehölzen wie Pappeln, Weiden, Weißdorn, Birken, Hasel, Robinien, Linden, Ahorn, Hainbuche und Apfelbäumen.

 

Sie entziehen ihrem Wirt mittels Haustorien Wasser und darin gelöste Mineralsalze, treiben aber selbst Photosynthese. Die Äste sind gabelig verzweigt, die kreuzständigen Blätter ledrig. Die zweihäusige Mistel besitzt getrennte weibliche und männliche Blüten auf verschiedenen Pflanzen. Die Blüten sind unauffällig grüngelb gefärbt. In den Astgabeln stehen mehrere glasige, fleischige, klebrige Scheinbeeren mit 2 – 3 Embryonen. Die Blüten- und Beerenreife beginnt etwas Mitte Januar und endet Anfang April.


Die klebrigen Beeren haften an Vogelschnäbeln oder gelangen über den Vogelkot auf die Rinde des Wirtsbaumes. Zum Keimen braucht der am Wirtsast klebende Mistelsamen Licht und Luftfeuchtigkeit. Es dauert etwa ein Jahr von der Anheftung an den Wirt bis zur erfolgreichen Infektion, dem Xylemkontakt zwischen Mistel und Wirt.

Das Wachstum erfolgt in den ersten 4 Jahren ausgesprochen langsam. Nach vier bis fünf Jahre erfolgt jedes Jahr eine Gabelsprossung. Im fünften Jahr beginnt die Pflanze zu blühen. Nach dem ersten Fruchten verbreitet sich die Mistel explosionsartig.

 Ursache hierfür ist nicht nur die Verbreitung durch Vögel, sondern das „Tropfen“ der Mistelsamen, d. h. in der Höhe der Bäume wachsende Pflanzen infizieren die darunter liegenden Äste. Geschwächte und nur sporadisch gepflegte Obstbestände können stark befallen und geschädigt werden. Dichter Mistelbefall führt zu verminderter Wuchsleistung des Baumes und im Extremfall zum Absterben.

Foto: Lars Krüger

Die ökologische Verflechtung zeigt sich hier besonders in der Abhängigkeit von Vögeln wie Drossel, Seidenschwanz, Schwarzspecht, Mittelspecht, Mönchsgrasmücke, Kernbeißer. Sie sorgen für die Verbreitung und damit den Fortbestand der Mistel. Die Mistelbeeren sind im Winter wichtige Nahrungsquelle für Vogel, hier sei besonders die Misteldrossel genannt.

Doch wie bei vielen Dingen ist auch hier des einen Freud des anderen Leid.

Streuobstwiesen gelten als artenreichster Lebensraum Mitteleuropas. Deutschlandweit engagieren sich viele Menschen ehrenamtlich für den Erhalt dieser hotspots der Biodiversität. In der Vergangenheit forderten die Naturschutzverbände mit Nachpflanzungen und Pflege der hochstämmigen Obstbäume die Streuobstwiesen zu erhalten oder durch Schutzausweisung deren Zerstörung zu verhindern.

Derzeit schlägt der NABU-Bundesfachausschuss Streuobst Alarm - durch die massenhafte Ausbreitung der Mistel sind besonders in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland-Pfalz die Bestände gefährdet. In einzelnen Regionen dieser Bundesländer kann man von einem flächendeckenden Befall der Streuobstwiesen sprechen, der lokal bereits bestandsgefährdend ist.

 

Hielte man sich an den alten englischen Brauch, käme man in diesen Streuobstwiesen aus dem Küssen gar nicht mehr heraus. Nicht nur Altbestände, sondern auch junge Bäume sind befallen. Neueste Erkenntnisse zeigen, dass nicht nur Apfel- sondern auch Birnbäume befallen werden.


Bis in die 80er Jahre gab es in einigen Ländern eine Verordnung zur Mistelbekämpfung und noch vor 60 Jahren wurden Obstbaumbesitzer bestraft, wenn die Halbschmarotzer in ihren Streuobstbeständen gefunden wurden.

Die Mistel steht in Deutschland zwar unter allgemeinem Artenschutz, aber unter keinem besonderen Schutz, dem zufolge kann sie bedenkenlos von Obstbäumen entfernt werden. Für die Mistelbekämpfung eignet sich am besten die "blattlose" Zeit in der die Obstbäume geschnitten werden und die Misteln gut sichtbar sind. Außerdem ist zwischen dem 1.11. und dem 1.3. die Beeinträchtigung der Vogel-Niststätten am geringsten. Wird die Baumpflege regelmäßig durchgeführt, reicht es die Mistel abzubrechen. Dadurch wird verhindert, dass sie Beeren produziert und sich ausbreitet. Das Mistelsenkergewebe selbst wird dadurch nicht beseitigt.

 

Will man die Mistel nachhaltig entfernen, muss mindestens 20 bis 30 cm vom Ansatz der Mistel ins gesunde Holz zurückgeschnitten werden, das ist jedoch nur in den äußeren Astpartien ohne große Schädigung des Obstbaumes möglich.


Auch im Münsterland breitet sich die Mistel in den Streuobstwiesen und in den Obstallee aus. Das ist mir in der Region zwischen Hamm und Münster besonders aufgefallen. Soll dieser Lebensraum hier weiterhin als ökologischer Baustein und als Obstlieferant erhalten bleiben, muss die Mistel in den Streuobstbeständen gezielt bekämpft werden. Ich möchte betonen, es geht uns nicht darum die Mistel grundsätzlich auszurotten, sondern sie dort in Schach zu halten, wo sie einen artenreichen Lebensraum bedroht.